Kommentar 16.04.10

Ursprünglich ein Begriff aus der Natur, wird das Wachstum von unseren Wunderpredigern in der Politik als heilige Fahne vor sich hergetragen. Wirtschaftswachstum macht keinen Sinn, denn eine Organisation, die ständig wächst, bläht sich auf und platzt dann irgendwann, wie zuletzt auf unserem Planeten geschehen. Wenn man von der Natur lernen will, muß man nachhaltiges Wirtschaften praktizieren. Das heißt, dort wo eine Pflanze eingeht oder ein Tier stirbt, muß gewährleistet sein, das genügend Nachkommen die jeweilige Art erhalten. Immer mehr Firmen bauen das in ihre Politik ein: einheitliche soziale Verantwortung wird mit speziellen Mitarbeitern in sämtliche Herstellungsketten eines Unternehmens eingebracht. Das wäre dann gerechte, ökologische und wohnortnahe Beschaffung. Und man spricht von einer ökosozialen Marktwirtschaft, in der die Kultur und damit auch der Frieden gefördert werden. Hört sich alles toll an, aber vom richtigen Weg, durch Marktschrumpfung die Lebensqualität zu erhöhen, sind wir in Europa noch lange enfernt. Hier hilft es, von den Ländern des Südens der Erde zu lernen.

Etikett/en:

Bolivien

Seit einem Jahr gilt auf dem Land das Gesetz der Selbstjustiz, erlassen von Präsident Evo Morales, dem ersten Ureinwohner in dieser Position. Überall dort, wo es keine Polizei gibt, wo der Staat mit seiner Gerichtsbarkeit keine Einfluß hat, kommen Verbrecherinnen vor die Versammlung der Bewohnerinnen. Geleitet vom Ältesten wird dort mit Rederecht von Jeder ein schnelles Urteil gefällt. In dem Einflußgebiet des Staates kann es Jahre dauern, bis ein Fall entschieden wird. Nicht so bei der Aburteilung nach dem alten Recht der Ajmara, der Ureinwohnerinnen Boliviens. Es gibt Fälle, wo Verbrecherinnen der Lynchjustiz zum Opfer fallen. Ein Beispiel: ein Mann hat ein tragbares Telefon geklaut, was in diesem Land einen hohen Wert hat. Als Folge hat man ihn in ein Auto gesperrt und dieses dann angezündet, so daß er darin verbrannt ist. An hohen Pfosten werden Menschenpuppen aus Stoff zur Abschreckung aufgehängt. Die Einführung des jahrhundertealten Rechts zeigt das Versagen des Staates auf, da er nicht in der Lage ist, flächendeckend Polizei und Justizapparat zu installieren. Und dies trotz des massiven Umbaus der Strukturen durch Morales.

Etikett/en:

Vereinigte Staaten von Amerika

In einer Stadt mit 100.000 Seelen auf dem Land wird ein neues Aburteilungsrecht für Drogenhändler praktiziert. Dieses wurde von einem Rechts-Professor aus New York entwickelt und von einem Prediger im Verbund mit der hiesigen Polizei umgesetzt. Mit Filmkameras werden die Kriminellen, die braunhäutig sind, von den rosahäutigen Staatsbediensteten bei einem Hineinrufen vor versammelten Bürgerinnen vor die Wahl gestellt: entweder sie hören auf, Drogen zu verkaufen und behalten dann ihre Freiheit, oder sie bleiben straffällig und kommen dann teilweise jahrzentelang in den Knast. Bei den schweren Fällen hilft auch dieses nicht und sie werden ohne Alternative abgeurteilt. Nur die einsichtigen Drogenhändler bekommen diese Möglichkeit. Einige Afroamerikaner, die sich ohne staatliche Unterstützung ein Tonstudio aufgebaut und einen Musikfilm mit Sprechgesang produziert haben, halten nichts von diesem Ausweg. Sie trauen den Staatsbediensteten nicht über den Weg. Und sie vergleichen ihre aussichtslose Lage mit dem Völkermord an den amerikanischen Ureinwohnerinnen durch die europäischen Einwanderinnen.

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