volxmusik am 19.5.12

Diesmal zu Gast war der Verleger Peter Lehmann. In Fellbach aufgewachsen, hat Peter ein bewegtes Leben durchgemacht. Aufenthalt im Seelenkrankenhaus und danach Ablehnung einer Behandlung durch Zwang, Therapie und Medikamente. Peter hat wegen seiner schlechten Erfahrungen den Antipsychiatrieverlag ins Leben gerufen und an die 40 Titel publiziert mit jeweils Tausenderauflagen. Herausragend daraus: ‚Der chemische Knebel‘ über die Seelenindustrie, ‚Statt Psychiatrie 1 und 2‘ über Alternativen in der Behandlung und ‚Psychopharmaka absetzen‘ mit positiven Berichten von Kranken, die erfolgreich ihre Pillen ausgeschlichen haben. Das Seelenkrankenhaus in Heidenheim ist das einzigste in Baden-Württemberg, daß die entsprechenden Menschen für einen Absetzversuch aufnimmt. Der Prozeß des Absetzens ist heikel, da Peter hier von einer Medikamentenabhängigkeit spricht.

Peter hat die Irrenoffensive in Berlin mitgegründet, ebenso das Weglaufhaus dort. Er war im Vorstand des Bundesverbands Psychiatrie-Erfahrener und hat ein europäisches Netz aufgebaut. Durch seine Jahrzente währenden Veröffentlichungen bekam er den Ehrendoktor der Universität in Thessaloniki/Griechenland und das Bundesverdienstkreuz. Ich werde Peter zum Stuttgarter Friedenspreis 2013 der AnStifterinnen vorschlagen. Der Preis ist mit 5000 Euro dotiert und wird zum Jahresende bei der Friedensgala im Theaterhaus verliehen.

Sein Verlag ist über www.antipsychiatrieverlag.de und er selbst über www.peter-lehmann.de zu erreichen. Auf Anfrage bei mir schicke ich dir gerne einen Mitschnitt der Sendung auf zwei Hörkompaktscheiben (2 Stunden) kostenlos per Post zu.

Etikett/en:

Der Wahnsinn

Wahn ist eine schwere seelische Erkrankung. Verursacht wird er durch biochemische Vorgänge, also durch eine Stoffwechselstörung im Gehirn. Es gibt den Verfolgungswahn, Größen- und Liebeswahn. Hinzu können noch Halluzinationen wie das bekannte Stimmenhören kommen. Durch Medikamente und Gesprächstherapie kann mensch die Krankheit so in den Griff bekommen, daß die Patientin ein halbwegs normales Leben führen kann. Kennzeichen der Erkrankung ist eine hohe Empfindlichkeit, Bescheidenheit, Reizbarkeit, Ängste und Liebenswürdigkeit. In diesem Fall ist mensch dünnhäutig und in den Gefühlen oft erschütterbar. Menschen mit diesem Krankheitsbild geht jegliche kriminelle Energie ab und sie sammeln keine Reichtümer an. Sie mischen sich in der Zivilgesellschaft ein. Ein Prozent aller Menschen auf dem gesamten Planeten haben den Wahn, egal wo und in welcher Kultur. Sie sind Schamaninnen, Druidinnen, Medizinfrauen, Priesterinnen oder Marabouts, Prophetinnen, Reliogionsgründerinnen oder Heilige, da sie Außerwählte sind und heilsame Wirkung auf ihre Umgebung haben.

Durch das Drecksblatt mit den vier Buchstaben wird gegen diese Menschen so gehetzt, daß es immer wieder vorkommt, daß Polizistinnen aus Unwissenheit Menschen im Wahn abknallen. Friede Springer, die mächtigste Frau in Deutschland, läßt die Menschen so ihre Meinung bilden, daß eine völlige Verzerrung der Wirklichkeit in die Köpfe der vielen Leserinnen und Journalistinnen gestempelt wird. Alles dies nur, um die Auflage zu steigern und die Milliarden zu vermehren. Aber auch der öffentlich-gebrechliche Rundfunk ist nicht besser. So läuft in der Lindenstraße im Wahn ein Darsteller mit dem Schlachtermesser in ein Café. Oder im Großstadtrevier eine verwirrte Frau mit derselben Waffe auf eine Polizistin los. Drehbuchschreiber aller Länder, was ist mit euch los? Wieso wird immer über diese Menschen gesprochen und geschrieben und nicht mit ihnen? Tatsache ist, daß die Verbrechen, die von Wahnsinnigen begangen werden, wesentlich weniger sind als bei sogenannten Normalos. Es kommt allerdings leider immer noch vor, daß Menschen, die ihre Medikamente eigenmächtig absetzen, dann wahnsinnig werden und in wenigen extremen Fällen auf andere Mitmenschen losgehen. Aber dafür gibt es ja die Forensik, in der diese Einzelnen untergebracht werden können. Das ist ein Krankenhausknast für an der Seele erkrankte gewalttätige Menschen, in der die Pflegerinnen keinerlei sexueller Anmache ausgeliefert sind. Die Folge der Kampagnen der Revolverblätter weltweit ist, daß Ärztinnen und Psychologinnen, die Menschen mit Wahn behandeln, unterdrückt werden, insbesondere bei der Entlohnung. Allerdings ist auch deren Ausbildung länger und anspruchsvoller wie bei den Kolleginnen in normalen Krankenhäusern.

Wer sich zum Thema informieren will, dem empfehle ich die Lektüre des Buches „Irre. Wir behandeln die Falschen! Unser Problem sind die Normalen. Eine heitere Seelenkunde“ vom Psychiater, Theologen und Kabarettisten Manfred Lütz (Kritik auf dieser Seite unter ‚Buch‘). Er ist Chefarzt in der Psychiatrie in Süd-Köln und taucht immer wieder in Gesprächssendungen im Fernsehen auf, da sein Buch ein großer Erfolg war.

Etikett/en: ,

Der Solist

Was ist das besondere an einer Freundschaft zwischen einem Obdachlosen und einem Journalisten? Zwei völlig gegensätzliche Leben kommen zusammen. Nun hat Hollywood diese Geschichte, die vor seiner Haustüre stattgefunden hat, verfilmt. Jamie Foxx spielt hier die Rolle des schizophrenen Nahtaniel Ayers, der nach Abbruch seines Musikstudiums in der renommierten Julliard School (New York) in Los Angeles auf der Straße landete. Das Wunderkind am Cello war völlig seinen Halluzinationen verfallen und hatte keinerlei Behandlung, weder medikamentös noch therapeutisch. Dann läuft ihm vor einer Beethoven-Statue Steve Lopez (Robert Downey Junior) über den Weg, ein Kolumnist der Los Angeles Times. Der ist fasziniert von diesem braunhäutigen Original in Indianermontur, eine Geige mit zwei Saiten spielend. Fortan schreibt er über den traurigen Fall, bekommt ein Cello von einer in der Rente befindlichen Musikern geschenkt und besorgt seinem Schützling zum Schluß eine Wohnung. Vorher bekommt er einen Journalistenpreis für diese Berichterstattung, beide besuchen die Los Angeles Philharmoniker, Ayers bekommt Unterricht vom dortigen ersten Cellisten. Das Vorhaben, Ayers öffentlich spielen zu lassen, scheitert. Am Abend des Konzerts übermannen ihn die Ängste und er flieht von der Bühne, ehe er anfängt zu spielen. Alle Bemühungen von Lopez, die Lebensqualität seines schrägen Freundes zu verbessern, scheitern. Aber er kommt wieder mit seiner geschiedenen Frau zusammen, einer Kollegin. Lopez hat ein Buch über seine Freundschaft mit diesem gescheiterten Genie geschrieben und er und Ayers waren bei den Dreharbeiten als Experten dabei. Der Film ist sehr wahrhaftig und zeigt in radikaler Weise die zwei Welten, die hier aufeinander treffen und sich gegenseitig befruchten.

Etikett/en: ,

Bali

In entlegenen Dörfern dieser indonesischen Insel werden seelisch Kranke teilweise über Jahre in Käfigen oder an Ketten gehalten, da sich niemand dort die teuren Medikamente leisten kann, die zur Behandlung notwendig sind. Für 7 Millionen Einwohner Balis mit 7000 Schizophrenen gibt es nur ein psychiatrisches Krankenhaus mit lediglich 300 Betten. Und insgesamt 20 Psychiater auf der ganzen Insel. Ein Verrückter hat in seiner akuten Phase sein drei Monate altes Kleinkind umgebracht, ein Anderer eine Kuh mit einem Beil zerhackt. So sehen ihre Familienangehörigen keinen anderen Ausweg, als die Kranken einzusperren. Man geht dem Glauben gemäß zum Heiler, doch der ist oft überfordert. Eine Psychiaterin hat eine Stiftung gegründet und besucht die weit abgelegenen Patienten, um sie zu behandeln. So konnte sie die Befreiung dutzender Fälle bewirken. Nun hat der Gouverneur von Bali auch noch sämtliche Gelder für dieses Projekt gestrichen und die Ärztin ist abhängig von Hilfsgeldern von australischen oder deutschen Nichtregierungsorganisationen.

Etikett/en: ,

Irre! von Manfred Lütz

Dieses Buch ist ein Überblick über alle seelischen Erkrankungen, verständlich und mit Humor geschrieben. Lütz ist Theologe, Psychiater und Therapeut. Eingeleitet wird das Ganze mit dem ganz normalen Wahnsinn, dem Krieg, und den wahnsinnig Normalen, zum Beispiel den Diktatoren. Ein Verrückter kann nicht die Herrschaft über sein Volk erringen, da ihm dazu das Durchhaltevermögen abgeht, ihm die kriminelle Energie fehlt und er im Endeffekt ein liebenswürdiger Mensch ist. Skrupellosigkeit und Menschenverachtung ist das Geschäft der Vorstandsvorsitzenden, Bankenzocker und aller anderen, die unseren Planeten vor die Wand fahren. Diese Normopathen gehören therapiert, die Verrückten, die Farbe in den grauen Alltag bringen, weniger. Weiter führt der Autor den normalen Blödsinn auf, was uns die sogenannte Fernsehcomedy beschert hat und die blödsinnig Normalen, die nichts geleistet haben wie bespielsweise Paris Hilton. Immer wieder streut Lütz Beispiele aus seiner Tätigkeit als Chefarzt einer Psychiatrie in Köln ein. Dieses Buch ist dünner und übersichtlicher als zum Beispiel das Standardwerk ‚Irren ist menschlich‘. Also, wer einen Einstieg in das weite Feld der seelischen Erkrankungen haben will: das Werk hat 190 Seiten und kostet 17,90 Euro. Es ist in jeder Buchhandlung vorrätig, da es Platz eins einnahm unter den bestverkauften Sachbüchern auf der Liste eines großen politischen Wochenmagazins. Mittlerweile gibt es dieses auch als Taschenbuch für 10 Euro.

Etikett/en: ,